Zündapp KS 125, 17PS, Baujahr 1974
Ich hatte gerade meinen Klasse 1 Führerschein gemacht und fand bei meinem Freund im Hinterhof des Hauses seine alte Zündapp. Ein trauriger Anblick, der Scheinwerfer und das Rücklicht geklaut, die Drähte heraushängend, verstaubt und schmutzig stand sie dort wie ein Wrack. 'Was machst Du denn damit?" war meine Frage und seine Antwort: "Kannst Du haben". Die Vorgeschichte dazu findest Du hier.
Super, an Technik herumzuschrauben ist bis heute immer schon eine meiner Leidenschaften gewesen. Gib mir irgendein kaputtes Ding, setz' mich damit in einen Raum und dazu eine Werkzeugkiste. Das dauert nicht lang und die Einzelteile liegen vor mir. Und ja, ich bekomme alles wieder zusammen und bislang funktioniert es dann auch.
Das war die Rettung für das damals schon 11 Jahre alte Maschinchen. Und Ersatzteile gab es auch noch! Zündapp stand schon kurz vor der Insolvenz oder dem Verkauf und hat in dieser Baureihe noch ein wassergekühltes Nachfolgemodell als KS175 gebaut. Bald danach war dann Schluss mit der Produktion.
Die Ersatzteile waren grade noch bezahlbar für mich als Lehrling und natürlich war das Wichtigste am Anfang, die Kiste überhaupt zum Laufen zu bringen. Jetzt kommt der Teil, bei dem sich jedem echten Motorradtechniker wohl der Magen herumdrehen dürfte. Ich hatte einen neuen Kolben samt Kolbenring in der richtigen Übergröße ergattert, die Lauffläche aus NiCaSid mit Schleifpapier bearbeitet und die Riefen in der Lauffläche natürlich nicht beseitigen können. Also habe ich versucht, ein Dichtungsmittel einzubringen, was diese füllen sollte. Natürlich war das das vollkommen falsche oder zumindest überflüssige Mittel. Lacht nicht, es hat geklappt, der Motor lief wieder!
Dann wurde das Motorrad komplett zerlegt, lackiert und wieder aufgebaut. Nicht perfekt, aber doch sehenswert. Allerdings habe ich mich vom ursprünglichen rot verabschiedet und es in ultramarinblau lackiert. Warum diese Farbe? Ich sagte schon, ich war in der Lehre und was ist da knapper als das Geld. Gleichzeitig verbrachte ich meine Dienstzeit beim Technischen Hilfswerk (THW) und die hatten noch einen Eimer Farbe übrig. Und nicht nur das, auch eine Halle, Kompressor und Lackierwerkzeuge. Praktisch!
Im Juni 1985 konnte ich das Motorrad dann anmelden, ca. 27.000km hatte es bereits auf dem Buckel. Seitdem sitze ich immer wieder auf der Zündapp - natürlich heute weniger als früher. Denn heute habe ich noch eine BMW F650, aber das ist eine andere Geschichte...
Ach ja, noch ein Nachtrag: natürlich hielt die Sache mit dem schlecht (pseudo-)reparierten Motor nicht ewig. Schätzungsweise so um die 2.500km bin ich damit gefahren, bis mir eines Tages 1986 der Kolbenring bei 120km/h auf der Autobahn geplatzt ist! Eine blöde Sache, denn Kolben, Kolbenring, Zylinder, Kurbelwelle und Kurbelwellenlager waren hin. Mein damaliger Fahrradladen, dessen Besitzer früher Zündapp verkauft und repariert hatte, konnte aus dem Zündapp-Zentrallager noch Ersatz besorgen. Ich musste einen Tausender (DM) investieren und bekam das Schätzchen dann wieder.
Auf dem Bild von 1988 sieht man, die Maschine hatte bereits unter dem Zahn der Zeit gelitten. Draußen bei Wind und Wetter, denn eine Garage gab es nicht und gefahren bin ich auch im tiefsten Winter. Dabei waren die große Motorkühlrippen sehr hilfreich, denn daran konnte ich mir alle paar km die Finger wärmen.
Der Auspuff war schon arg verrostet und um 1990 herum war dann das hintere Schutzblech am Kennzeichenträger abgerostet. Damit ging es nicht mehr über den TÜV; das passende Ersatzteil war erst nicht aufzutreiben. Irgendwann ein paar Jahre später hatte ich bei den damals üblichen Kleinanzeigen Glück und jemand bot genau dieses verchromte Schutzblech für 250,- DM an - neu und originalverpackt in Plastikeinband mit Zündapp-Emblemen. Ich wagte das Risiko, denn der Verkäufer bestand auf Zahlung vorab und bangte eine Zeit lang, ob denn nun wirklich ein Paket kam.
Derweil war die Zündapp zerlegt und wartete auf dem Speicher, schön sorgfältig verpackt in Tüten und Kartons, auf eine Wiederbelebung. Dann kam der Tag, als meine Frau mir erzählte, dass wir ein Kind erwarteten. Und mir war klar, bevor es geboren wird, muss das alte Schätzchen wieder laufen, denn dann würde die Zeit zum Herumbasteln am Motorrad wirklich knapp werden.
Mittlerweile hatte ich Gelegenheit, einen Scheinwerferrahmen, Ochsenaugen-Blinker, einen kompletten Bing-Vergaser sowie einen Auspuff neu zu ergattern. Und in 08.2000 konnte ich das Motorrad wieder anmelden.
Die Zündapp KS125 läuft heute noch und ist weitestgehend original - wenn man von der Farbe und den fehlenden Emblemen absieht. Mittlerweile stehen über 70.000km auf dem Tacho und das ist für einen 2-Takter schon eine Leistung. Na ja, einigen Stellen sieht man das Alter an.
Aber sie wird gefahren - bei schönem Wetter und ganzjährig - und macht immer noch Spaß.
Hier gibt's noch ein paar technische Informationen:
Ich fahre Super-Benzin, bleifrei, seit es eingeführt wurde. Wichtig ist, immer die Mischung 1:25 zu fahren, die der Hersteller vorgegeben hat. Genauso wichtig ist die richtige Zündkerze.
Schon 1974 war die Art der Stromversorgung, 6V, sowie die daraus resultierende schwache Beleuchtung nicht mehr zeitgemäß. Der Scheinwerfer ist wirklich nur ein Schein-Werfer, richtig Licht kommt dort nicht heraus. Das Licht funktioniert nur bei laufendem Motor und etwas Drehzahl, weshalb ich im Dunkeln an einer Ampel die Drehzahl hochhalten muss. Durch die Konstruktion der Stromversorgung des Rücklichtes über eine Hilfswicklung über der normalen Lichtmaschine erhält das Rücklicht nur dann genügend Strom, wenn vorne die Lampe brennt. Also heißt es im Stand, die Hinterradbremse zu treten, um das Bremslicht leuchten zu lassen.
Der Tank besteht aus Stahl und ist nicht rostfrei. Innen erschien nach über 40 Jahren der Flugrost sich zu richtigem Rost zu wandeln. Und es ist keine gute Idee, dies laufen zu lassen, bis der Tank durchgerostet ist! Also sah ich mich Mitte 2017 gezwungen, etwas für die Erhaltung des Materials zu tun. Der Tank wurde entleert und mit Sand und scharfzackigen Steinen gefüllt. Anschließend habe ich ihn gut verpackt und an einer Betonmischertrommel in unterschiedlichen Positionen befestigt. In jeder Position lief die Trommel dann ca. eine halbe Stunde.
Nach ca. 3h konnte ich den Tank abnehmen und stellte erfreut fest, dass tatsächlich sämtlicher Rost entfernt bzw. umgewandelt war! Der nächste Schritt war Ausspülen mit heißem Wasser, um Sandreste sehr gründlich zu entfernen. Dann musste ein Fön herhalten, um das Innere des Tanks zu trocknen.
Danach kam noch eine Flüssigkeit zum Umwandeln von Rost, nach der der Tank noch einmal getrocknet werden musste. Anschließend habe ich ein säure- und kraftstoffbeständiges Flüssigharz eingefüllt, den Tank verschlossen und in jede Richtung geschwenkt. Dieser Vorgang musste einmal wiederholt werden, bis sich das Harz überall niedergelassen hatte. Ich konnte es kaum abwarten, aber die Vernunft gab mir vor, tatsächlich eine Woche Härtungszeit abzuwarten, bevor alles wieder zusammengebaut wurde.